„Mein Leben wurde mir geklaut … „

Über den langen und steinigen Weg aus der Obdachlosigkeit.

Für alle, die unseren gemeinsamen Weg mit Erik (klicke hier) verfolgen, soll es heute ein kleines Update geben. Nicht zuletzt durch einen Kommentar von Leser Olaf auf Facebook:
 
"Ich finde es sehr interessant "mitzuerleben" wie ein Obdachloser zurück in ein "normales Leben" findet …. ich hatte da etwas naive Ansichten, gebe ich zu und vielleicht auch Vorurteile. Also danke für die kleinen Einblicke in das was ihr tagtäglich erlebt und wie es Erik dabei geht. Haltet durch! Ich stehe betend hinter euch, mehr kann ich leider von hier aus nicht tun."


Ich freue mich, wenn ich behilflich sein kann, Vorurteile abzubauen. Ich glaube das ist wichtig, denn unser Urteil und somit unser Umgang mit Obdachlosen ist auch davon abhängig, wieviel Einblick wir in dieses andere Leben haben. Machen wir uns nichts vor, auch wenn die wenigsten von uns urteilen wollen, tun wir es immer wieder. Wir sind Menschen.
 

obdachlos


Auch in dieser Woche haben wir wieder gekämpft und sind einige Schritte voran gekommen. 

Am Montag klingelte das Telefon. Das Jobcenter war dran. Man wollte Erik einen Job als LKW Fahrer vermitteln. Noch bevor sein Hartz 4 Antrag mit sämtlichen Papieren eingereicht wurde … wow, dass ging schnell! Blöd nur, dass Erik aktuell alles andere als arbeitsfähig ist. Durch fünf Operationen in 9 Monaten, die meiner Laienmeinung nach, doch recht kompliziert waren und einigen Monaten Krankenhaus, ohne anschließende Reha, verständlich. Das leuchtete auch dem freundlichen Jobvermittler ein.
 

Da am Dienstag Feiertag war (1. Mai), ging die Woche etwas später los. Die bisher täglichen Arztbesuche, um dass Polamidon zu besorgen, gab es natürlich jeden Vormittag. Egal ob Wochentag, Sonn- oder Feiertag. Damit das nicht mehr nötig sein muss, immerhin dauert eine Fahrt (je nach Verkehr) 35-50 Minuten, wäre es genial, wenn er Polamidon zur Mitgabe bekommt. Die Regeln sind dafür allerdings sehr streng. Noch dazu hat Erik bisher keine Krankenversicherung, die bezahlt wird. Er ist bei der AOK gemeldet – da es eine Versicherungspflicht gibt – die übernehmen bisher aber nur sämtliche Notfallkosten. Auch verständlich.  

Bisher gibt es Polamidon nur auf Privatrezept. Antibiotika und Schmerzmittel zahlt zum Glück die Krankenkasse.

Lange Rede, kurzes Fazit: Es ist kompliziert. 


Am Mittwoch fand dann ein Arztgespräch statt. Ca. 2 Stunden warten. Die Ärztin ist sehr freundlich und nimmt sich für jeden Patienten ausgiebig Zeit. Im Schnitt vielleicht 15-30 Minuten. Ich finde das richtig und wichtig. Denn viele Patienten sind sicher in einer ähnlichen Situation wie Erik und brauchen Ermutigung um clean zu bleiben und die Substituion durchzuziehen. Für diesen "Service" muss man eben längere Wartezeiten einplanen. Beim Gespräch wurde einiges besprochen, was mit der Krankenkasse geklärt werden muss usw. Ich werde nicht auf sämtliche Einzelheiten eingehen, dass sprengt den Rahmen und so furchtbar spannend ist das auch nicht. 


DANKE!!

Als "Belohnung" hat Erik ein altes Smartphone geschenkt bekommen. Ich hatte im letzten Beitrag gefragt, ob noch jemand eins rumliegen hat, dass er nicht mehr benötigt. YES! Vielen, vielen Dank nochmal an dieser Stelle! Jetzt hat Erik ein eigenes Telefon und kann seine Mails checken. Und dem Guten noch nicht genug: eine Leserin zahlt ihm für eine Weile die monatliche Flatrate.

Ich bin immer wieder dankbar, dass Menschen andere Menschen in Not unterstützen und ich die Möglichkeit habe auf meinem Blog zu vermitteln. Somit möchte ich vorallem auch in Eriks Namen, allen danken, die auch etwas Kohle gegeben haben, um Erik über die Runden zu helfen. Somit sind unsere Kosten für Medikamente, Essen, Benzin, Pass, andere benötigte Papiere usw. gedeckt. Danke!! Wir schwimmen selbst nicht im Geld und sind deshalb dankbar für diese Unterstützung.


Und dann kam der Donnerstag … 

Ca. 9:30 Uhr waren wir bei der Polamidon Ausgabe. Check 

10:30 Uhr hatte Erik einen Termin beim Jobcenter, um dort sämtliche Papiere für den Hartz 4 Antrag abzugeben und Einzelheiten zu klären. Überpünktlich 10:25 Uhr wurde er rein gerufen. WOW! Sollte sich die typisch deutsche Pünktlichkeit, mittlerweile bis in unsere Ämter gedrängt haben??? Pustekuchen. Unsere Freude erhielt einen rasanten Dämpfer …. denn im Büro wo wir gelandet waren, saß die Jobvermittlerin. Ihre Aufgabe ist es zu überprüfen, was Erik gelernt hat und worin seine Stärken liegen, damit das Jobcenter ihm geeignete Jobs anbieten kann. Sie sah jedoch schon beim reinkommen, dass Erik aktuell nicht arbeitsfähig ist. Ihn selbst macht das traurig, er ist nicht stolz darauf staatliche Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen, um wieder auf die Beine zu kommen.

Wir konnten recht schnell gehen, mit dem Hinweis und der Entschuldigung, dass wir leider lange warten müssen, denn die Papiere müssen bei jemand anderem abgegeben werden.


jobcenter1Also Wartenummer ziehen. Über 80 Leute warteten vor uns. Ich hatte nichts anderes erwartet bei einem Amtsbesuch in Berlin.

Wieso kam mir eigentlich vor wenigen Minuten noch die sekundenschnelle Hoffnung, daran habe sich etwas gerändert??? 

Wir haben uns die längste Zeit raus in die Sonne gesetzt und versucht die Wartezeit sinnvoll zu nutzen. Nämlich damit Erik's letzten Arbeitgeber anzurufen und ihm anschließend ne Mail zu schicken mit der Bitte ihm seine Papiere zukommen zu lassen, Arbeitszeugnis, Sozialversicherungsnummer, Rentenversicherungsnummer usw. das benötigt er noch für das Arbeitsamt.

Wie im letzten Blogartikel erwähnt, hatte Erik NICHTS mehr. Sämtliche Papiere, Pass, Laptop, Sicherheitskopien, persönliche Briefe und Fotos … ALLES wurde ihm vor 4 Jahren geklaut. Durch einen persönlichen Schicksalsschlag, der ihn aus der Bahn warf, war der Diebstahl der berühmte i-Punkt, der dass Fass zum überlaufen brachte. Erik verlor seinen Job und landete auf der Straße.


"Mein Leben wurde mir geklaut … " so drückt er es oft aus.


Als Eriks Nummer aufgerufen wurde, war er schon sehr erschöpft von den Schmerzen. Er kann durch seine körperlichen Probleme nicht lange sitzen, gehen oder stehen. Alles lief soweit gut, der Mitarbeiter war freundlich. Doch es fehlte eine Bescheinigung, dass Erik kein Arbeitslosgeld I zusteht. Diese Bescheinigung gibt es beim Arbeitsamt, dass ganz in der Nähe ist. Also rein ins Auto, raus aus dem Auto, rein ins Arbeitsamt, 20 Minuten warten. Neue bürokratische Probleme, auf die ich nicht näher eingehen kann – durch das freundliche Engagement der Bearbeiterin bekamen wir das benötigte Dokument.

Mit der Bestätigung ging es zurück zum Jobcenter. Rein ins Auto rein, raus aus dem Auto, rein ins Jobcenter. Erik's Bearbeiter war gerade beim Mittagessen. Warten. Ca. 20 Minuten später: Erik hatte sich eine für ihn halbwegs angenehme Position auf der Treppe gesucht, kam der Bearbeiter zurück und nahm die Bestätigung in Empfang.

Ab sofort läuft der Antrag. Check ✔ In 1-2 Wochen sollte das Hartz 4 genehmigt sein. Wir warten sehnsüchtig darauf! 


Danach ging es zur Krankenkasse …. 

Ca. 1 Stunde warten. Erik krümmte sich vor Schmerzen. Durchhalten!!

Wir waren dort, um nach einem "Transportschein" für Erik zu fragen. Denn Karsten, der Erik täglich zum Arzt fährt, ist ab Montag 2 Wochen nicht da. Ich fahre kein Auto. Mit den Öffis dauert es 1,5 Stunden von hier bis zur Ärztin. Mit umsteigen, laufen und vorallem auch U-Bahn fahren. Die U-Bahn in der Erik seine "Junkie-Kollegen" trifft und wo Junkies sind, sind Dealer nicht weit. Dazu ist er morgens häufig leicht entzügig.

Also fragten wir ob die Krankenkasse die Kosten für einen Transport zB. mit dem Taxi übernehmen würde. Nein. Dazu braucht er einen Schwerbehindertenausweis, mind 60% Behinderung mit attestierter Gehbehinderung. Den würde er höchstwahrscheinlich bekommen, aber natürlich nicht so schnell – schon gar nicht ohne Krankenkasse, die bezahlt wird! Der Gang zum Versorgungsamt steht also etwas später auch noch an. Mit einem Schwerbehindertenausweis wissen dann auch die Jobvermittler Bescheid, ob und wo sie Erik einsetzen können.

Ok. Bei der Krankenkasse gab es also eine Niederlage … doof. Austehen. Krone richten. Weitergehen.


Auf direktem Weg zurück zur Ärztin. Erneut 1-2 Stunden warten. Erik hat durchgehalten! Zäher Hund!!

Wir mussten besprechen wie es mit der Mitnahme von Polamidon aussieht. Die Ärztin hatte sich mittlerweile auch mit der Krankenkasse auseinander gesetzt. Höchstwahrscheinlich ist es möglich, dass er es am Montag oder Dienstag für 6 Tage mitnehmen kann!! Genial! Tschaka!


Als wir Donnerstag mit allem durch waren (im wahrsten Sinne), lud uns eine gute Freundin zum Essen ein! Das tat gut, machte glücklich, zufrieden und vorallem satt!! DANKE! 
 

Wie gehts weiter?

Ich Fuchs habe bei eBay Kleinanzeigen eine Anzeige aufgegeben: "Fahrer/in für kranken Mann gesucht" und die Situation grob erklärt. Es haben sich einige Leute gemeldet. Unter anderem ein sympatischer junger Mann, der bereit ist zu helfen. Cool! So verdient er ein paar Euro und Erik ist geholfen. Montag 8:30 Uhr kommt er vorbei und fährt ihn zum ersten Mal zur Ärztin. Hoffentlich klappt es und Polamidon gibt es für 6 Tage zur Mitgabe.

Dann werden wir Termine ausmachen, um Erik in einem betreuten Wohnen unterzubringen. Es gibt ganz unterschiedliche Einrichtungen. Wir haben vom Jobcenter eine Bestätigung bekommen, dass der Antrag läuft und da nun absehbar ist, ab wann die Unterstützung los geht und die Kosten für einen Wohn- und Therapieplatz übernommen werden, können wir ja schon mal vorsprechen.


Dann irgendwann werden wir Erik helfen seinen Führerschein aus seinem Heimatland Polen ran zu schaffen und neue Beißerchen gibt es hoffentlich auch bald! :-)  

Aber eins nach dem anderen, schrittweise geht es voran.


Bei all der Warterei und den Hürden der Bürokratie, sind wir nur auf freundliche und hilfsbereite Beamte, Angestellte, Sozialarbeiter und Ärzte gestossen. Was für ein Geschenk! 


Lieber Erik: Wir sind stolz auf Dich! STAY STRONG & Peace ✌️  (Insider)


Bis zum nächsten Mal.

Mandy 
 

 


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Dieser Beitrag wurde am 5. Mai 2018 veröffentlicht.

14 Gedanken zu „„Mein Leben wurde mir geklaut … „

  1. Patricia

    Ja, da hast aber sowas von recht…….leider. Ich tappe auch immer mal wieder in die Falle mit den Vorurteilen usw.

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  2. Ina

    Wow Mandy, du machst da die ganze Zeit den Job einer BeWo Betreuerin und das ohne die Ausbildung, Studium und ohne Bezahlung. Ich bin dem Herrn sehr dankbar, dass Er dich gerettet hat und dir Sein Herz gegeben hat, damit du anderen dienen kannst.

    Wenn ihr noch weitere praktische Tipps braucht, melde dich gerne. Ich habe sechs Jahre in dem Job in Köln gearbeitet, die Verfahrensweisen sind ja kommunal nicht unterschiedlich.

    Weiterhin Gottes überreichen Segen für euch :-)

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  3. Ulrike

    Für Menschen ohne engagierte Hilfe leider kaum zu schaffen :-( Ich hätte vermutlich schon bei der Hälfte aufgegeben

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  4. Anja

    Danke, liebe Mandy für Deine Liebe! Nichts ist umsonst, was Du da machst! Danke für Deine unfassbare Geduld :-) Gott segne Euch

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  5. Petra

    Ihr seid ein Segen für so viele Menschen. Danke, dass ihr diesen Weg mit Erik geht, dass er spüren darf, dass er wertvoll ist. Ich bete für ihn und auch für euch. Gottes Segen

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  6. Christine

    Schnell mal niedergeschrieben, aber ich will mir gar nicht vorstellen…was das Schritt für Schritt für Euch 3 bedeutet!
    Ihr seid so ein Segen..und das Gott Dir liebe Mandy diesen Ehemann zur Seite gestellt hat, der das auch alles so sieht wie DU, Genial – Gott eben ❤️ Weiterhin seid Ihr in meinen Gebeten..bin Stolz Euch zu kennen ❤️

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  7. Rolf

    Danke Mandy ….
    auch super zu lesen „Bei all der Warterei und den Hürden der Bürokratie, sind wir nur auf freundliche und hilfsbereite Beamte, Angestellte, Sozialarbeiter und Ärzte gestossen. Was für ein Geschenk! “
    Möge die Erik-Geschichte gut weitergehen..
    Grüße
    Rolf

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  8. thomas

    ich habe heute morgen einige verse aus der bibel gelesen, wo es um gleichnisse des dienens geht. dein beitrag ähnelt denen sehr und ist so autentisch auf die heutige zeit bezogen. es zeigt mir deutlich, das jesus lebt.

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