Kaufst Du eigentlich ab und an ‚ne Straßenzeitung?

Obdachlosen- und Straßenzeitungen, die gibt es in vielen größeren Städten.

Hier in Berlin ist es die "motz", "Die Stütze" oder "strassenfeger", in Düsseldorf "fifty-fifty", in München "BISS", in Hamburg "Hinz und Kunzt", in Köln "Draussenseiter", in Leipzig die "Kippe" und in Dresden heißt sie "drobs".

Die Zeitungen werden von Menschen verkauft, die obdachlos sind oder sehr wenig Kohle haben. Ich hab sie damals als Jugendliche auch verkauft, in Dresden und in Berlin.

(Kurze Vorgeschichte: Mit 12 daheim abgehauen; einkassiert, ins Heim, da auch abgehauen, wieder einkassiert, wieder ins Heim, abgehauen, einkassiert – wieder ins Heim, abgehauen – irgendwann hat es keinen mehr so richtig interessiert und ich war war jung und fühlte mich unglaublich frei und cool, keiner konnte mir was, so dachte ich …) 


Einen Teil des Verkaufserlöses darf man behalten und auch das Trinkgeld, was es häufig dazu gibt. 

Dieser Zeitungsverkauf tat mir gut und schenkte mir auch Selbstachtung; etwas zu tun fürs Geld und eben nicht nur mit Becher rumzugehen und "Haste mal ne Mark?" zu schnorren.
Das ist irgendwie billig, kommt nicht gut an und demütigt.


Auf der Gitarre klimpern kann ich nur bedingt, besser war die Mundharmonika. Mit Singen oder anderen straßentauglichen Künsten hab ich es nicht gehabt – vor Leuten stehen und irgendwas aufführen, war nie mein Ding. Von daher passt die Sache mit der Zeitung ganz gut.

Und heute? Da kauf ich selten, aber doch ab und an eine Straßenzeitung. Meistens sind die Verkäufer sehr sympathisch und auch kontaktfreudig. Eigentlich sollte ich jeden Monat eine kaufen – ja, ich nehm es mir jetzt vor. Denn durch die Zeitung bekommt man einen Einblick in die Obdachlosenszene und die soziale Situation der Stadt. In diesen Straßenzeitungen kann man einen Blick werfen in die Welt der Ausgegrenzten und Benachteiligten. Denn sonst, so als "normaler" Bürger, bekomme ich da nicht viel mit. Die normale Tageszeitung berichtet wenig von dem, was wirklich abgeht auf unseren Straßen, denn würden die offen über Probleme und Missstände berichten, dann müssten sich sie mit einigen Verantwortlichen anlegen. Naja, wer tut das schon gern … also lieber mal keinen Dreck aufwirbeln.

In der Straßenzeitung findet man auch Ermutigendes: Leute, die den Weg von der Straße zurück geschafft haben, vielleicht nicht unbedingt in die bürgerliche Welt, aber in ein strukturiertes, selbstbestimmtes Leben.


Warum ich all das schreibe?

Weil es leider genügend Abzocker auch in dieser Szene gibt. Leute, die sich irgendwelche alten Zeitungen unter den Arm klemmen, einen Fake-Ausweis umhängen und dann mit Pappbecher losziehen und die Leute anbetteln. Sie bekommen dann ein paar Münzen, aber die meisten Leute machen keinerlei Anstalten überhaupt eine Zeitung mitzunehmen … Haaa, Plan aufgegangen!

Die Bettel-Mafia (oftmals aus Rumänen) lässt herzlich grüßen – denn das gespendete Geld kommt nicht dem Straßenzeitungsverlag zugute, der damit Betroffenen Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen kann, sondern geht aufs Konto der Bettel-Mafia. Die Bosse haben in allen Großstädten Deutschlands ihre Leute verstreut, sie sind extrem gut organisiert und machen Millionen mit diesem Geschäft. Die Bettler selbst kriegen nur einen Hungerlohn für die Arbeit, werden ausgenutzt bis zum Gehtnichtmehr und oft sind sie gar nicht so arm dran, wie sie sich ausgeben. Von wegen Rollstuhlfahrer, die nach Feierabend 'ne Straße weiter fröhlich rumlaufen und ins Auto steigen …


Ich finde es schade, wenn Leute, die die echte Straßenzeitung verkaufen, von diesen Idioten
niedergemacht werden und keiner mehr was kauft!

Deshalb schalte bitte nicht auf stur und kauf gar nix mehr, sondern lass Dir den Ausweis des Verkäufers zeigen. Den muss jeder dabei haben – viele haben ihn direkt umhängen. Da ist ein Passfoto drauf und eine Nummer, mit der der Verkäufer beim Herausgeber registriert ist. Und die Adresse plus Telefonnummer des Herausgebers steht auch drauf. Der Ausweis ist in Folie laminiert, manchmal ist es auch eine Plastikkarte.

Ruf notfalls einfach bei dem Laden kurz an und frage, ob es sich um einen Zeitungsverkäufer von ihnen handelt. Ja, aufwendig – aber immerhin weißt Du dann, woran Du bist. Viele Stammverkäufer stehen auch immer am gleichen Ort und wenn Du einmal weißt, dass er sauber ist, dann kannst Du da ja öfter kaufen und musst nicht jedes Mal neu anrufen und Kommissar spielen.

Es gibt soviele verzweifelte Menschen, die zu schwach sind, um sich an Ämter oder sonstwas zu wenden. Hinter jedem, wirklich jedem der Zeitungsverkäufer, die ich kennenlernte, steckte eine extreme Leidensgeschichte! Wenn sie anfangen die Zeitung zu verkaufen, dann kann das Mut machen, dass sie sich jemanden schnappen und sich helfen lassen! Dauert manchmal Jahre, viel zu lang, aber manche gehen eben ganz kleine Schritte …


Hilf ihnen dabei, wenn das mit 2€ gemacht ist, sollte doch nichts dagegen sprechen – oder?

Klar, manchmal hab ich einfach zuviel anderes Zeug, was ich gerade unterstütze oder bin knapp bei Kasse. Es muss ja auch nicht ständig oder regelmäßig sein. Ich möchte Dir einfach nur ein paar Sätze zu den Verkäufern von Straßenzeitungen sagen, vielleicht denkst Du das nächste Mal, wenn Du einen siehst, ja dran.

Wenn jemand keinen Ausweis hat, dann kauf lieber nichts bei ihm …


Wir haben damals auch ausdrücklich gesagt bekommen, dass wir den Leuten nicht bettelnd hinterher rennen dürfen. .. Wenn das irgendwie rauskäme, wäre der Job weg. Wenn sich also jemand so verhält, ist Vorsicht geboten!

"Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland etwa 248.000 Wohnungslose, in Berlin liegt die Zahl bei ungefähr 10.000. Die Einnahmen aus dem "Motz"-Verkauf sind für viele kein Zubrot, sondern überlebenswichtig, berichtet Peggy Kaufmann im Wohnwagen. "Wir haben ein paar Todeskandidaten."

Artikel der Berliner Morgenpost – Armut: Das harte Geschäft mit der Straßenzeitung in Berlin

Sei wachsam, hör auf Dein Herz und gib großzügig!

Gott segne Dich dafür und sowieso!

Deine Mandy

 

 


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Dieser Beitrag wurde am 27. Februar 2014 veröffentlicht.

19 Gedanken zu „Kaufst Du eigentlich ab und an ‚ne Straßenzeitung?

  1. Olaf

    Da ich in Berlin geboren und aufgewachsen bin, kenne ich die große Not der Obdachlosenzeitungen. Ich weiß auch um die Not der Obdachlosen und bete für die armen Seelen, bevor ich zu Bett gehe. Gleich bei mir um die Ecke befindet sich das Franziskanerkloster in Berlin-Pankow, wo sich die Geschwister des Ordens sehr rührend um die Menschen kümmern. Eine Suppenküche ist dort auch eingerichtet, wo ich ab und an auch hingehe. Dort bekomm ich die Gelegenheit mit den einen oder anderen Obdachlosen zu reden. Geschichten können die Obdachlosen erzählen, wovon ich nicht mal träumen möchte, dem es noch verhältnismäßig gut geht.
    Vor einiger Zeit erfuhr ich, dass die Obdachlosenzeitungen „Der Straßenfeger“ vor dem aus steht. Die Zentrale befindet sich in Berlin-Prenzlauer Berg. Dort sind auch Übernachtungsmöglichkeiten eingerichtet. Die Miete für die Räume können bald nicht mehr gezahlt werden. Ich bete und hoffe, dass die Arbeit weiter gehen kann und den Verteilern der Zeitung weiter eine langfristige Hilfe und Perspektive angeboten werden kann.

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    1. Maria

      Hallo Olaf und Mandy,

      Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, die Übernachtungsmöglichkeiten am Penzlauer Berg zu unterstützen ? Wenn jeder von uns nur ein wenig gibt, möglichst monatlich, dann könnte die Miete vielleicht aufgebracht werden ?

      LG

      Maria

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      1. Mandy Artikelautor

        Hi Maria.

        Da steckt ja oft mehr dahinter, dass es nicht mehr funktioniert – wenn ne Handvoll Spender das Ding retten könnte, wäre ja schön. Aber ich glaube mit diesem realativ kleinen Betrag kommen wir da nicht weit. Ich schau mich mal im Netz um, ob ich weitere Infos darüber finde, denn ich weiß da überhaupt nichts drüber. Kenn die Stelle da nicht.

        Es gibt eben viele sehr gute, unterstützenswerte Projekte. Gerade in Großstädten wird ja einiges geboten. 

        Grüßle
        Mandy
         

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  2. Gudrun

    Hallo Mandy,

    ich finde es gut, dass auf die Drückerkolonnen (oft aus Rumänien) hingewiesen wird, die mit ihren Zeitungen vor ALDI und Co. stehen. Statt Geld kaufe ich ihnen gern für 13 Ct ein Brötchen o.a., aber ich gebe kein Geld mehr, seit ich weiß, dass das nicht bei den Bedürftigen landet. LG

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  3. Viola

    Ich kaufe IMMER eine solche Zeitung, wenn ich in der Stadt bin. Und rede kurz mit den Leutchen… hab extra Kleingeld in der Jackentasche dafür.

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  4. Doris

    Ja das gibt es in Karlsruhe auch , eine qualitativ gute sogar und ja ich kaufe mir eine, wenn er dasitzt. Auch einen blauen Chip habe ich ihm schon dazugegeben.

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  5. Katha

    Als ich vor ein paar Jahren in Berlin lebte, ging ich eine Zeitlang in die "Gemeinde im Zentrum am Hauptbahnhof" der Berliner Stadtmission. Auch heute bin ich bei Besuchen immer mal wieder dort.

    Genau dort, wird auch eine Notunterkunft für Obdachlose betrieben und von dort aus fährt der Kältebus. Insofern gae es immer mal wieder auf die eine oder andere Art Kontakt zu Obdachlosen.

    Leider ist die Not insgesamt auf dieser Welt so groß, daß man sich nie für alle einsetzen kann, aber ich finde auch, ein freundliches Wort, hin und wieder eine Zeitung (hol ich mir viel zu selten) und vor allem immer ein Lächeln sind das Mindeste.

    Ich wünsche mir sehr, ein kleines bisschen dazu beizutragen, daß diese Welt ein besserer Ort wird

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  6. Niko

    In jeder WDL-Jugendfreizeit gibt es am Rande des Straßeneinsatzes in München eine Aktion, bei der jeder einzelner Teilnehmer (~140 insgesamt) eine Obdachlosenzeitung kauft.

    Anschließend werden sie gesammelt und als neue Lieferung wieder zurückgegeben :-)

    Das passiert schon seit mehreren Jahren bei 4 Freizeiten pro Jahr.

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  7. Hajo

    Ich bekomme sie immer in Heidelberg. Ich respektiere diese Menschen. Die Zeitung ist immer informativ, mich interessieren besonders obdachlose Frauen und was fuer Probleme sie haben. Leider vergisst man immer so schnell.

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  8. GekreuzSIEGT Moderatorin - Sandra

    Hi Mandy, ja, ich finde den Tipp gut mit dem Ausweis, ich habe die Teile auch schon lange nicht mehr gekauft, weil eben bekannt war, dass das Geld nicht immer sinnvoll eingesetzt wird bzw. es eben auch Betrug gibt. "Helfe trotzdem", würde Mutter Teresa jetzt sagen 😉 Also im Sinne von, wir werden nicht immer vermeiden können, auch mal auf jemanden reinzufallen. 

    Die moderne Kommunikationswelt führt dazu, dass man von unzähligen, wertvollen Projekten erfährt und jeden Monat neu entscheiden "muss", wo man sein Geld hingibt. 

    Aber es ist schön, wenn Deine Artikel anstiften, anderen zu helfen :-)

    Werde bei der nächsten Begegnung mit einer Obdachlosenzeitung auf jeden Fall daran denken. 

     

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  9. Lena

    vielen dank für die hintergrundinfos und die liebevolle art, uns für die verkäufer zu sensibilisieren. gut, dass ich jetzt weiß, worauf ich achten muss, um die "echten" verkäufer zu unterstützen. segen dir und dem team, liebe mandy.

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  10. Gabi

    Bei uns in Hannover gibt's die Asphalt Zeitung . Früher hab ich die selbst verkauft u jetzt darf ich sie kaufen. Das ist Gnade .

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  11. Gunilla

    Da bei uns fast nur noch Menschen von (rumänischen) Drückerkolonnen diese Zeitungen verkaufen und allen Erlös sofort abgeben müssen, kaufe ich lieber ein Brötchen und schenke es ihnen…

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  12. Andreas

    Früher war ich noch unkritisch gegenüber dem Thema und fühlte mich gut, wenn ich einem Bettler auch mal einen Schein zusteckte. Das änderte sich.

    Als ich im Urlaub auf einem Bauernmarkt in Ecuador, einem Land ohne die sozialen Sicherungen, die wir in Deutschland kennen, einer Bettlerin einen Dollar geben wollte, schlug mir eine Bäuerin auf die Hand. "Geben Sie den Bettlern nichts," sagte sie, "es hindert die Leute daran, sich um die Änderung ihrer Situation zu kümmern!" Ich war beeindruckt, denn sie, die mit einer Schale Zwiebeln wohl einen weiten Weg zum Markt bewältigt hatte, um einige Cents zu erwirtschaften, vertrat einen deutlichen Standpunkt. Mit einer kleinen Spende helfe ich tatsächlich nicht wirklich, sondern verlängere das Elend des Bettelnden nur wieder um einen weiteren Tag.

    Ihre zweite Aussage "Bettler züchten Bettler" nahm zwar auf die lokale Situation Bezug (Dortige Bettler im "Indiokostüm" schicken ihre Kinder nicht in die Schule, sondern benutzen sie als Bettelhilfe; mangels Schulbesuch erhalten die erwachsenen Kinder später keine Arbeit  – und gehen betteln.), es scheint mir aber auch hier durch "Bettel-Clans" Parallelen dazu zu geben.

    Ich habe nichts dagegen, in der U-Bahn von einem engagierten Zeitungsverkäufer eine Zeitschrift zu kaufen und aufzurunden, wechsle aber nun grundsätzlich ein paar Worte mit den Verkäufern.

    Nach eigenen Erfahrungen mit Wohnungslosigkeit etc. sehe ich heute, dass es Menschen mit einem Sack voll ungelöster Probleme nur gelingen kann ihre Situation dauerhaft zu verbessern, wenn sie sich von der Bettelei oder Flaschensammelei lösen und sich z. B. einen Betreuer einer caritativen Einrichtung suchen, mit dem sie gemeinsam die bestehenden Probleme lösen. Über Trägerwohnungen klappt es dann auch bald mit einem später "eigenen Dach über dem Kopf". Die einzige Person, die letztlich etwas an der Situation eines Obdachlosen ändern kann, ist der Obdachlose selbst.

    Leider sehe ich in letzter Zeit mehr Bettler mit eingeschweißten Zeitungen vor der Brust, als echte Straßenzeitungsverkäufer. Die freundlichen Türaufhalter, ab Ultimo an den Berliner Bankfilialen aktiv, gehen mir voll auf den Keks. Es ist absolut unhöflich mir dabei ungefragt zu helfen, denn man unterstellt mir, dem Geholfenen, dass ich die Tür zu öffnen, nicht selbst in der Lage bin (Validation).

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