Krankheiten, Trennungen, Todesfälle: Schicksalsschläge werfen unser bisher geregeltes Leben völlig aus der Bahn. Vielleicht hast Du so manches Mal das Gefühl, nie wieder glücklich zu werden. Du trägst die Nostalgiebrille und trauerst dem nach, was Du verloren hast. Du weißt, dass manche Momente (voraussichtlich) nie wieder kommen werden. Es tut weh, loslassen zu müssen.
Ich erlebe das gerade selbst. Fühle mich nach einer Trennung ohnmächtig, wie gelähmt. Ich fühle mich von Traurigkeit übermannt und dann doch wieder voll motiviert und offen für das, was immer auch kommen mag. Die Gefühle kommen in Wellen: Mal ist Ebbe, mal ist Flut. Mal ist die See ruhig; und dann ist sie wieder rau und der Sturm tobt. Und ich … ich versuche – mal mehr, mal weniger erfolgreich – mein Segel so zu richten, dass es mich nicht umhaut.
Gestern habe ich etwas gelesen, das mir zu Denken gegeben hat und mich auch bestärkt, nicht aufzugeben. Vielleicht hilft es auch Dir:
Die Glücksforscherin (geile Berufsbezeichnung) Michaela Brohm-Badry hat nachgewiesen, dass es, "bei rund 60 Prozent der Menschen, die traumatisiert sind, einen Entwicklungsschub, einen Wachstumsschub" gibt. Die Professorin der Uni Trier betont, ihren Untersuchungen nach gäbe es nicht nur die posttraumatische Belastungsstörung, sondern auch das posttraumatische Wachstum. Dass auf Trauer und Leid stärkende und positive Emotionen folgen können, belegen zahlreiche empirische Befunde bei Krebspatienten sowie bei Opfern von Gewalt oder Unfällen. Laut Brohm-Badry, die auch Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung ist, sind diejenigen, die ihr Trauma überwunden haben, "innerlich stärker und klarer" als zuvor. "Man erlebt eine Stimmigkeit mit sich selbst und kann wesentlich stärker unterscheiden, was wichtig und was unwichtig ist im Leben." Einen Wermutstropfen gibt es aber dabei: Das posttraumatische Wachstum braucht Zeit….
Quelle: Martina Müller mit Material von dpa / 3sat.de
Innerlich wachsen, reifen, weise werden: das scheint also gerade dran zu sein.
Weisheit hat weder etwas mit dem Alter, noch mit Wissen zu tun. Wir alle nutzen das Internet und seine Suchmaschinen. Innerhalb von Sekunden können wir per Mausklick quasi sämtliche Informationen abrufen. Werden wir dadurch weiser? Nein. Es ist auch nicht der weiße Rauschebart oder der Rollator, der einen Menschen weise macht. So mancher junger Mensch kann mehr Weisheit als ein alter Mensch besitzen. Obwohl ein älterer Mensch durch seine längere Lebenszeit natürlich eher mehr Gelegenheiten hatte, sich Weisheit anzueignen.
Weisheit hat wohl viel mehr mit dem Umgang mit Gefühlen zu tun. Stichwort: emotionale Intelligenz. Wie gehe ich mit den unterschiedlichsten, oft stressigen Begebenheiten im Leben um? Darin liegt letztendlich die Quelle von Weisheit. Weisheit ist die Erfahrung, die man durch Fehler und bestimmte Entscheidungen seines Lebens macht.
Ich habe mir mal grob das Leben von Menschen, die man in der Geschichte als "weise" bezeichnet, angeschaut:
Aristoteles hatte eine Sprachbehinderung und verlor bereits in der Kindheit seine Eltern. Abraham Lincolns Mutter starb, als er neun Jahre alt war. Konfuzius verlor seinen Vater, als er drei Jahre alt war. Mutter Theresa ihren Vater, als sie acht Jahre war.
Wie schlimm und traumatisch muss es für ein Kind sein, ein Elternteil oder gleich Beide zu verlieren?!
Übrigens lässt sich die Liste von "berühmten Kindern", die ihre Eltern verloren haben, beliebig erweitern: Washington. Jefferson. Lincoln. Kopernikus. Newton. Darwin. Dante. Michaelangelo. Bach. Nietzsche. Twain. …
Es scheint, als hätten viele erfolgreiche und weise Menschen eine harte Kindheit hinter sich. Ich glaube, die Wurzel der Weisheit liegt ganz oft in der Kindheit, Jugend und / oder im frühen Erwachsenenalter. Wer da zu kämpfen hatte und überlebt, bekommt kräftige Wurzeln. Er hat (leider) viele Wunden und doch ist er stark. Stark wie ein großer Baum, den trotz geknickter Äste nichts mehr so schnell umhaut.
Ich hatte mit Sicherheit eine krasse Kindheit, mit einer süchtigen Mutter und einem völlig unterwürfigen Vater. Ich will das nicht groß ausführen und mich als "weises Beispiel" hinstellen. Das wage ich nicht zu beurteilen. Doch so schlimm das alles gewesen war, ich glaube, es hat mich für mein Leben bis heute ausgerüstet: Mich stark gemacht!
Im 2. Korinther 12, 9-10 heißt es: "Du brauchst nicht mehr als meine Gnade. Je schwächer du bist, desto stärker erweist sich an dir meine Kraft.«6 Jetzt trage ich meine Schwäche gern, ja, ich bin stolz darauf, weil dann Christus seine Kraft an mir erweisen kann. Darum freue ich mich über meine Schwächen, über Misshandlungen, Notlagen, Verfolgungen und Schwierigkeiten. Denn gerade wenn ich schwach bin, dann bin ich stark."
Da scheint wirklich was dran zu sein.
Und keine Sorge, wenn Du eine schöne und glückliche Kindheit hattest, dann freu Dich!! Und Du bringst Dich bitte auch nicht um, um Deinen Kindern Weisheit zu ermöglichen 😉 Wir ALLE können lernen, weise mit Gefühlen umzugehen, aus der Fülle unserer Lebenserfahrungen lernen und das Gute weitergeben. Kinder gehören nicht nur laut Herbert Grönemeyer eh an die Macht, sie sind in manchen Bereichen weiser als wir Erwachsene.
Übrigens glaube ich, dass man als gläubiger Mensch eine andere Art von Weisheit entwickelt als ein ungläubiger Mensch.
Ich persönlich glaube, es ist das Größte, mit Gott im Reinen zu sein, obwohl man viel Scheiße erlebt hat. Ich denke, zum Großteil liegt es an einem selbst, ob man Gott für erlebtes Leid an den Pranger stellt oder gerade dann Hilfe und Schutz bei ihm sucht. Rechne ich ihm das Schlechte oder Gute zu? Oder mache ich mich ganz frei davon, das überhaupt beurteilen zu wollen?! Geht das überhaupt?
Ich habe den Eindruck, gerade in den schlechtesten Zeiten meines Leben mich sicher zu fühlen und in Gottes Arme zurücklehnen zu können. Ich zweifle eigentlich nie daran, dass es ihn gibt und er es gut mit mir meint. Was natürlich nicht heißt, dass ich mich nicht auch oft genug wundere, warum dies und jenes nicht einfach passiert?! "Wäre das nicht so einfach für Gott?!" frage ich mich oder besser ihn dann. Tschja. Im Leben wird es immer Fragen geben, auf die wir keine Antwort haben.
Ich weiß, nicht jeder fühlt sich in Gottes Händen geborgen. Ich bin nicht weise genug, um zu analysieren, weshalb das so ist. Ich kann nur von meinen Erfahrungen und Überzeugungen erzählen und für den anderen beten.
Meine Adoptivmama sagte mir kürzlich, dass sie all das Leid ihres Lebens nicht eintauschen würde, wenn sie Gott dafür nicht kennen würde. Und … nach meinem Empfinden; sie ist eine echt weise Frau!
Kein Mensch ist davor gefeit, dass das Leben ihm nicht eines Tages doch auch mal so richtig eins reinhaut.
Vergiss nicht: nur wer sich selbst aufgibt, zerbricht an solchen Situationen. Egal wie dunkel Dein Leben momentan ist: Es gibt immer einen Ausweg, immer ein Morgen, immer etwas, das aus der „Vor-Zeit“ geblieben ist. Selbst der Tod als Schlusspunkt allen menschlichen Lebens kann die Erinnerung nicht löschen ….
Pass auf Dich auf.
Segenregen.
Deine Mandy
© Foto: meins
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Gutes Thema, betrifft mich sehr…
Wirklich gut, was du da schreibst.
Da du ein Mensch mit Fehlern bist, kannst du natürlich auch schon mal komplett daneben hauen – hab ich allerdings in den letzten Jahren, in denen ich deine Texte & Gedanken lese, noch nie gesehen! Immer wieder schreibst du über Dinge, die ich schon mal gehört/gelesen habe oder weiß – und jedes Mal schaffst du es, einen Ansatz zu finden, der mir ganz neu ist oder es so frisch und neu zu formulieren, dass ich nur staune. Vielen, vielen Dank dafür!
Wow! Danke für Deinen so positiven Kommentar, Conny. Der berührt und freut mich. Danke.
Mensch Mandy, hast mal wieder meinen Tag gerettet. Darf ich Dein Thema/deinen Originaltext in meinem Erzählcafe im Pflegeheim vorlesen? So schön, wahr und auf jeden zutreffend.
Klar, gerne sogar. Ich rette gerne Deinen Tag 😉
Liebe Mandy, du schreibst mir, wieder mal, aus meiner Seele…danke… 😉
Hallo Mandy,
also ich weiß, ehrlich gesagt, nicht wirklich, was Weisheit ist. Wenn das, was Du dazu schreibst („Gefühle“), stimmt, habe jedenfalls ich praktisch keine Chance, weise zu werden. *autsch*
Hinsichtlich der Liste vermeintlich oder tatsächlich weiser Personen möchte ich ein wenig Einspruch einlegen. Mutter Teresas Qualitäten halte ich für ziemlich fraglich, wenn ich mir die Quellen so ansehe. Und ein für mich etwas verdrießlicher Fall: Die Lehren, die uns von Aristoteles überliefert sind, haben ihm nicht nur das Attribut „größter Lehrer des Abendlands“, sondern auch das scherzhafte als „größter Irrlehrer des Abendlands“ eingebracht. Nicht ganz zu Unrecht, denn zweifellos haben die darin vermittelten Ansichten unser Denken entscheidend geprägt, aber damit auch wesentlich zu dem Schlamassel beigetragen, in dem wir uns heute global befinden. Unsere Methodologie davon, wie man erkennen kann, ob etwas empirisch zutrifft oder nicht, beruht im Wesentlichen bis zum heutigen Tag auf der von ihm entwickelten Systematik. Und darin eingeschrieben ist auch ein grundlegender Dualismus in Form einer Gegenübersetzung: „Hier (drinnen) bin ich – da (draußen) ist die Welt.“ Das halte ich für eine gigantische Torheit. Sofern wir hinreichend heil sind, besitzen wir die Fähigkeit, uns als mit der vermeintlich draußen liegenden Welt verbunden wahrzunehmen. Wir sind größtenteils, so wie ich das sehe, nur gegenteilig konditioniert.
Ich habe Schwierigkeiten mit uns Menschen. Ich erlebe uns bzw. unser Handeln als den größten leidverursachenden Faktor. Wir können uns schlecht auf unser Unwissen berufen. Schicksalsschläge sind m.E. leichter zu verkraften als Leid, das durch menschliches Handeln ausgelöst wird, egal ob wir uns der Konsequenzen unserer Taten bewusst sein mögen oder nicht.
Jedoch kenne ich bei allen Querelen, die mein oder unser Leben so mit sich bringt, eine Erfahrung, die ich nicht begründen kann und die ich selber nur wenig verstehe. Aber hin und wieder läuft sie mir eben über den Weg. Ich bin trotz allem zuhause.
Für viele Menschen ist das aber nicht so. Ich kann das gut nachvollziehen, denn ich kenne die Trennung, die auch ich meistens erlebe.
Viele Grüße
*ping*