Letzte Nacht. ca. 1:40 Uhr. Das Handy bimmelt. Zu müde um ranzugehen. Danach eine SMS. Neue Mailbox Nachricht.
Schlaftrunken hören wir:
"Hey, wir brauchen dringend Hilfe! Am LaGeSo herrscht totales Chaos! Wenn Ihr könnt, bitte kommt und holt jemanden ab. Hier schlafen Leute seit Tagen auf der Straße."
Puuuh. Ich möchte einfach nur schlafen. Doch vor einigen Tagen habe ich unser Wohnzimmer-Sofa für Notfallfälle bei www.fluechtlinge-willkommen.de angemeldet und mich bereit erklärt, dass bis 2 Uhr Nachts bei mir durchgebimmelt werden darf.
Sie haben es tatsächlich getan. Aber ich will doch einfach nur schlafen? Jetzt! Doch dann erinnere ich mich zurück an die Nächte, die ich damals als Jugendliche selbst auf der Straße verbracht habe … Scheiß aufs Schlafen. Schweinehund, Du hast verloren!
Wir raffen uns auf und fahren los. Von uns daheim ist es zum LaGeSo (unsere zentralen Registrierung- und Leitungsstelle für Flüchtlinge, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales – hier ein Bericht dazu) etwa eine halbe Stunde. Da wir beide Freiberufler sind und am nächsten Tag keine frühen Termine haben, lässt sich das einrichten. Als wir ankommen, sehen wir Menschen mit Schlafsäcken, Decken und Folien am Boden liegen. Manche schlafen, andere sitzen zusammen, unterhalten sich oder starren vor sich hin. Die Stimmung ist ruhig. Fast gedrückt. Alle scheinen recht müde zu sein. Der lauen regnerischen Nacht angepasst.
Ein letzter Bus fährt vor, um einige Menschen in Obdachlosenheimen unterzubringen. Die Polizei steht helfend und wegweisend zur Seite.
Sämtliche Notunterkünfte sind bereits belegt. Dennoch werden Hunderte Leute heute Nacht kein Dach überm Kopf und kein warmes Bett haben. Ehrenamtliche Helfer/innen laufen in Warnwesten herum, koordinieren und tun ihr Bestes. An dieser Stelle einen großen DANK an Euch!!
Wir stellen uns vor und werden dankbar empfangen. Nach kurzer Zeit weist man uns zwei Menschen zu. Eine Frau und einen Mann aus Moldawien. Carolina und Basil (oder so ähnlich). Sie sind Mitte zwanzig, wirken zurückhaltend, fast schüchtern und sympathisch. Sie sprechen kein Deutsch. Sie spricht ein bißchen Englisch. Er nur Russisch. Wir können uns nur grob verständigen. Sie steigen in unser Auto und wir fahren mit ihnen durch die Nacht. Was für eine Situation?! Die beiden sind seit 4 Tagen in Berlin vorm LaGeSo, um sich zu registrieren. Jetzt steigen sie nachts 3 Uhr in das Auto von zwei Menschen, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen haben.
Daheim angekommen bauen wir unser Schlafsofa zum Bett um, während unsere beiden Katzen Laila und Jonas unsere Gäste auf ihre Art willkommen heißen. Das lockert die Stimmung. Carolina erzählt, dass die Katzen in Moldawien wesentlich kleiner ausfallen als unsere deutschen Haustiere.
Jeder von uns ist froh und dankbar in einem warmen Bett zu liegen. Ich schlafe ruhig und zufrieden ein, nachdem ich Gott für diese Menschen auf meinem Sofa danke und sie segne. Er kennt sie ganz genau. Alles, was ich von ihnen kenne, sind ihre Vornamen. Wer diese Menschen eigentlich sind und warum sie genau in Deutschland sind? Ich weiß es nicht. Die sprachlichen Hürden sind zu groß, um Näheres zu erfahren.
Am nächsten Morgen haben sie ihr Bettzeug zusammengelegt und lächeln mich an:
"Good Morning, Mandy … " sagt sie schüchtern "… thank you!"
Das Frühstück fällt kurz und knapp aus. Sie wollen schnell zurück zum LaGeSo, um sich zu registrieren. Unsere Nachbarin erklärt sich bereit sie zu fahren. Ich komme mit. Und so liefern wir die beiden wieder ab. Mit wenigen Worten, aber ein Lächeln im Gesicht steigen sie aus und bedanken sich herzlich. Wir wünschen ihnen zum Abschied alles Gute.
"Bye, God bless You!" … sie gehen schnell in der Menschenmenge unter.