Interview mit BuzzFeed Deutschland

Am Wochenende fragte mich Anna Dushime, Redakteurin bei BuzzFeed Deutschland, ob ich bereit wäre für ein Interview.

Ich hab versucht ihre Fragen zu beantworten.


Veröffentlicht wurde das Interview heute bei BuzzFeed Deutschland – hier klicken – in ausführlicher Form kannst Du es hier lesen:

 

 


Mandy, was hat Dich dazu bewegt den neu-ankommenden Flüchtlingen zu helfen?

Krieg ist mit Abstand die hässlichste Sache auf diesem Planeten!! Mein Herz blutet, wenn ich mitbekomme, wie Menschen leiden. Wie ihr Haus – ihr Leben – in Schutt und Asche liegt und sie Angst um das Leben und die Zukunft ihrer Kinder haben müssen. Wenn ich dann am LaGeSo vorbei laufe und mit eigenen Augen sehe, was da für Zustände herrschen könnte ich (sorry für die Wortwahl) nur noch kotzen!! Ich krieg das im Hirn und Herz nicht vereint, dass mein Sofa daheim im warmen Nacht für Nacht leer steht, während hier Menschen auf der Straße liegen und versuchen zu schlafen.

Natürlich kommen dann auch Erinnerungsfetzen hoch, wie ich damals selbst in eiskalten Nächten draußen gepennt habe. Das ist nicht nur ungemütlich, sondern zerrt extrem an der Würde eines Menschen.

Also habe ich mich erkundigt, wie ich helfen kann und ob es möglich ist mein Sofa zur Verfügung zu stellen, denn Gästezimmer haben wir keins. Ich kam dann irgendwie zu der Facebook Gruppe Place4Refugees und darüber auf www.fluechtlinge-willkommen.de wo ich unser Sofa angemeldet habe. :-)

 

Wie viele Stunden/Woche bist Du mit dieser Arbeit beschäftigt?

Och, dass kann ich so gar nicht sagen. Berufliches und privates zu trennen ist bei mir ohnehin eher schwierig, dann auch noch meine Hilfe für die Flüchtlinge … ich kann und will das nicht abgrenzen und berechnen. Die Hilfe, die ich anbieten kann, sehe ich weniger als Arbeit, sondern mehr als Lebensstil und Lebenseinstellung. Ich bin dankbar, dass ich relativ gut Grenzen setzen kann und mich nicht einem Helferkomplex ausgeliefert fühle … von daher helfe ich dort und in der Dosis, wo es mir selbst noch gut geht und das von Herzen gern, egal wieviele Stunden das nun ausmacht.

 

Wieviele Flüchtlinge hast Du bereits aufgenommen?

Wir hatten letzte Woche einen Mann und eine Frau aus Moldawien für eine Nacht bei uns und jetzt über das Wochenende und vielleicht in den kommenden Tagen (je nachdem wann es mit der Registrierung klappt) ist Brahim (21), eine junger Mann aus Syrien bei uns. Nebenher bemühen wir uns um eine Patenschaft für einen anderen jungen Mann bei uns im Stadtteil in einer Flüchtlingsunterkunft.

 

Wie viel Platz hast Du denn eigentlich in Deiner Wohnung?

Wir haben eine relativ überschaubare ca. 73 qm 2-Zimmer Wohnung. Ein Schlafsofa im Wohnzimmer, wo wir gern Gäste willkommen heißen. Das ist keine langfristige Möglichkeit, aber für kurze Zeit und für Notfälle ist es ok. Die Leute leben so mit uns zusammen, da wir kein extra Gästezimmer haben.

 

Du lebst dort mit Deinem Mann zusammen, oder?

Richtig. Der Karsten. Unser Kater Jonas und unsere Katze Laila – die Beiden sind praktisch. Sie begrüßen unsere Gäste auf ihre Art und irgendwie verbindet das. Gerade Anfangs ist es etwas schwierig warm zu werden, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht.

 

Du schreibst in Deinem Blog, dass Du als Jugendliche obdachlos warst: wie lange? Und wenn Du magst: wie kam es dazu?

Ich bin kurz vor meinem 13. Lebensjahr von meinem „Zuhause" abgehauen. Meine Mutter war schon in ihrer Schwangerschaft mit mir Alkoholikerin und psychisch sehr krank, ich wurde oft geschlagen und verbal fertig gemacht. Mein Vater stand voll unter ihrer Fuchtel und hat es nicht geschafft einzugreifen oder sich Hilfe zu holen. Ich kann mich an keinen Moment erinnern, wo ich mich richtig wohl zuhause gefühlt habe. Immer war Angst da. Zu jeder Zeit.

Mit zwei Freunden, die auch Probleme mit ihren Eltern hatten, hab ich dann beschlossen abzuhauen. Erst hauten wir Nachts ab und kamen wieder … dann irgendwann, nach einem letzten großen Knall; meine Mutter rastete völlig aus und prügelte mir rückwärts durch eine Glastür … war ich so verletzt; körperlich und vorallem seelisch, dass ich schnell eingepackt habe, was ich zu schnappen bekam und abgehauen bin. Für immer. Ich ging nie wieder zurück.

Wenn man so will, war ich auch ein Flüchtling … ich flüchtet vorm Krieg in meinem eigenen Elternhaus. Liebe gab es da nicht, nur Hass und Angst. Leider übertreibe ich nicht.

 

Wie hast Du es aus der Obdachlosigkeit raus geschafft?

Auf der Straße kamen immer mal wieder Sozialarbeiter zu uns. Sie versuchten sich um uns zu kümmern und wir haben sie so oft abgewiesen …. und doch war es gut das sie kamen und uns ihre Hilfe anboten. Irgendwann waren wir durch Drogen und andere schreckliche Erfahrungen so kaputt; dass ich dachte, wenn es eine Chance gibt, was zu verändern, dann will ich sie annehmen.

Meine Hoffnung darauf war nicht wirklich groß, doch ich hatte ich zu dieser Zeit eine außergewöhnliche Erfahrung gemacht: Kurz vorher, ganz klassisch ein Container Klo in Berlin wollte ich mir mit einer Überdosis Heroin das Leben nehmen. Doch dann hatte ich plötzlich das Gefühl das mir jemand sagt „Ich liebe Dich, tue es nicht!“ Ganz plötzlich in diesem kalten, ekelhaften Raum bekam ich einen Funken Hoffnung auf ein besseres Leben.

Einen Abend zuvor hatte ich das erste Mal bewusst zu Gott gebetet: „Hey Gott, wenn es Dich gibt, dann hol mich hier raus!“ …. ich glaube, dass es mehr gibt, als wir sehen und erklären können.

 

Das oft wiederholte Argument einiger besorgter Bürger ist ja, dass die Menschen sich ja erstmal um deutsche Obdachlose kümmern sollten, bevor sie sich um Flüchtlinge kümmern. Was sagst Du zu denen? Du warst ja selbst mal auf der anderen Seite.

Ich denke man sollte das nicht gegeneinander ausspielen. Menschen, die in Not sind, sind in Not und brauchen Hilfe. Punkt! Egal ob es deutsche sind oder Menschen anderer Nationalitäten. Es gibt verschiedene Gründe; gerade durch die eigene Lebensgeschichte, mit wem oder mit welchem Leid man sich besser identifizieren kann – die einen kümmern sich um Flüchtlinge, die anderen um deutsche Obdachlose, die nächsten um Prostituierte und wiederum andere setzen sich für Tiere in Not ein. All diese Menschen sind wichtig und es ist toll, dass sich für die Not einsetzen, die ihnen am Herzen liegt!

Wir sind ein reiches Land und ich behaupte, es scheitert nicht an harter Währung, sondern an harten Herzen!

 

Du bist ja Christin. Findest Du, dass Christen eine besondere Verantwortung gegenüber Flüchtlingen haben?

Nein, als Christ habe ich keine besondere Verantwortung. Ich bin Mensch und Christ. Jeder Mensch hat Verantwortung für sein Leben und das der Menschen um ihn herum. Menschlichkeit ist für mich ein Menschenrecht, Selbstverständlichkeit und Pflicht. Wenn ich als Christ Gottes Liebe erfahren habe, habe ich vielleicht mehr weiter zu geben?

 

Was würdest Du gerne den Politiker/Berliner Senat/Öffentlichkeit sagen?

Vielleicht sollten einige Politiker mal selbst vorm LaGeSo aufschlagen und 2-3 Nächte in der Schlange stehen, sich zum registrieren durch die aufgestellten Zäune drängen, auf der Straße schlafen und sich mit den geflüchteten Menschen unterhalten … die Bürokratie muss vereinfacht werden und vorallem muss es schnell und gerecht gehen! Die Bürokratie darf die Menschlichkeit nicht ersticken!

Es muss doch z.B. möglich sein, Wartemarken auszugeben, die auch am nächsten Tag noch gelten, dann hätte unser Wochenend-Gast Brahim vielleicht nicht 3 Wochen vor der Registrierungsstelle campieren müssen!

Wir haben als Großstadt und Land Deutschland das Potenzial vielen Menschen aus Kriegsgebieten zu helfen und doch hapert es an vielen bürokratischen Hürden, um einen schnellen und reibungslosen Umgang zu gewährleisten.

Europa muß nicht nur bei Bankenkrisen, sondern auch bei Bedrohungs- und Flüchtlingskrisen Einheit beweisen! Dann könnte ich stolz sein, Europäerin zu sein!

 

Vielen Dank für Deine Antworten! 

Gern.

 

 


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Dieser Beitrag wurde am 17. November 2015 veröffentlicht.

9 Gedanken zu „Interview mit BuzzFeed Deutschland

  1. Tanja

    Liebe Mandy,

    du bist für mich ein Vorbild in vielerlei Hinsicht und tust so viel segensreiches!

     

    Vor allem die letzten Sätze des Interviews möchte ich FETT unterstreichen !!!

    Mach bitte weiter so!

    LG Tanja/Taize

     

    Antworten
  2. Vera

    <3 lichen Dank für diesen Bericht … hat mich sehr berührt … wunderbar, dass es Dich gibt! Sei gesegnet! Liebe Grüße, Vera 😀

    Antworten
  3. Dorothee

    Liebe Mandy,

    danke für Deine Offenheit und Deine Bereitschaft, konkrete Hilfe zu leisten, Gottes Segen für

    Dich, Karsten und Deine Arbeit.

     

    Antworten
  4. Walter

    Es ist schön, mitzuerleben, wie Du Dich "gebrauchen" läßt von Gott.

    Irgendwie ist mir beim Lesen ein Text aus den Chronikern eingefallen:

    2Chr 7,14 und dann mein Volk, über das mein Name genannt ist, sich demütigt, dass sie beten und mein Angesicht suchen und sich von ihren bösen Wegen bekehren, so will ich vom Himmel her hören und ihre Sünde vergeben und ihr Land heilen.

    Gottes Volk – ein Schlüssel?

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  5. Beate Breyer

    Hallo Mandy,

    dein Interview war wirklich top !!!Ganz grosses Lob, wie du die Probleme rübergebracht hast.Ich würde mir wünschen ,daß dieses Interview in allen deutschen Zeitungen steht oder zumindest am "Schwarzen Brett" im Bundestag.

    Mach weiter so und Gottes reichen fetten Segen !!

    Antworten
    1. Mandy Artikelautor

      Ach Beate. 

      Danke. Es haben auch andere Zeitungen angefragt. Doch ür mich ist das nun wirklich keine übermenschliche Heldentat mein Sofa für einige Nächte bereit zu stellen. Das haben wir fast alle schon getan, wenn auch nicht für fremde Leute. 

      Würde dieses Interview in verschiedensten Zeitungen auftauchen, hätte das für mich einer seltsamen Beigeschmack und vielleicht auch für einige Leser. 

      Ich tue was ich tue von Herzen gern, ohne es jeden erzählen zu wollen.

      Alles Liebe! 
      Mandy

      Antworten

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