Hamster Hans und Kauz Karli

Es war eine stockfinstere Nacht, als sich Hans, der Hamster mit seinem alten Kumpel Karli, dem Kauz auf den Heimweg machte.

Bis spät in die Nacht hatten sie in Bobbels Bar gesessen, Bobbels Birkenbrause getrunken und über die neuen Ideen des Wald- und Wiesenparlaments gestritten. Hans ärgerte sich sehr über die neue Hamsterpartei, die doch tatsächlich die – seiner Ansicht nach völlig bekloppte – Idee hatte, ein gemeinsames Vorratslager für alle Hamster einzurichten. Für alle Hamster zusammen! Noch immer konnte Hans sich kaum beruhigen.

 

"Diese Hamsterpolitiker haben wirklich nicht alle Körner in der Backe."

"Ich verstehe nicht was du hast.", meinte Karli, der Kauz.
"Wenn ihr alle eine große Vorratshöhle habt, dann können auch die Hamster überleben, die im Sommer Pech hatten und nicht soviel sammeln konnten."

"Pech? Ha, dass ich nicht lache. ich weiß genau, wie das ablaufen wird. Ich sammle Körner, bis mir fast die Backen platzen, und andere legen sich auf die faule Haut. Und im Winter fressen die dann meinen Vorrat. Da mache ich nicht mit. Niemals!"

"Niemandem?" fragte der Kauz, "du vertraust wirklich niemandem???"

"Niemandem!", bestätigte Hans.

"Das ist traurig", meinte Karli kopfschüttelnd.

"Ich bin mit dieser Einstellung prima durchs Leben gekommen", erwiderte Hans.

 

Die Beiden waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie gar nicht merkten, wie sie in der Dunkelheit vom Weg abkamen. ihnen fiel nicht einmal auf, dass es immer steiniger und steiler wurde.

 

"Schon mein Vater und mein Großvater haben so gelebt", erklärte Hans. "Opa sagte immer: Am besten schmeckt die eigene Nuss – teilen bringt dir nur Verdruss. Niemandem kannst du vertrauen – alle wollen dir was klauen.'"

"Klingt ein bisschen einsam", meinte Karli.

"Quatsch", knurrte Hans, "Opa war immer spitze drauf, wenn ich ihn mal zufällig traf…"

 

Und dann geschah es! Mit einem Quieken, das jedem Meerschweinchen Ehre gemacht hätte, brach Hans mitten im Satz ab.

 

Einen Augenblick lang fuchtelte er wild mit den Vorderpfoten in der Luft herum, dann verlor er endgültig den Halt und rutschte ab. Er schlidderte ein lehmiges Bachbett hinab, prallte gegen einen Felsen, machte einen doppelten Salto, versuchte vergeblich sich an vorstehenden Felsrändern festzuhalten, und landete schließlich in einem dichten Busch. Gerade noch bekam er einen dünnen Ast mit seinen Vorderpfoten zu packen. Sein Sturz endete abrupt und Hans hing auf und ab wippend in der Finsternis.

 

"Wo bist du?", hörte er die besorgte Stimme von Karli rufen.

"Hier unten", hallte es jämmerlich durch die tiefe Schlucht. "Ich hänge an einem Ast."

 

Zu seiner Erleichterung hörte Hans wenig später das Rauschen von Flügeln. Sehen konnte er nichts. Dazu war es zu finster.

 

"Wie geht es dir? Alles in Ordnung?" fragte Karli.

"JA", fauchte Hans. "Ganz wunderbar, es könnte gar nicht besser sein. Ich liebe es in stockfinsterer Nacht Schluchten hinabzustürzen, mir fast den Schädel einzuschlagen und dann an einem dünnen Ast über einem tödlichem Abgrund zu schweben. Ja, mir geht es wirklich großartig, DANKE der Nachfrage."

"Okay" erwiderte Karli trocken, "offensichtlich bist du nicht ernsthaft verletzt."

"Und nun Spaß beiseite", sagte Hans. "Wie komme ich hier wieder weg? Kannst du irgendwas erkennen?"

"Ich schau mir das mal genauer an." erwiderte Karli.

 

 

Hans hoffte inständig, dass der Kauz, der eine deutlich bessere Nachtsicht als der Hamster hatte, irgendeinen Ausweg finden würde.

Leider schien dem nicht so zu sein, denn als Karli wenige Augenblicke später zurückkam und Hans ihn nervös fragte: "Und wie komm ich hier runter?", antwortete der Kauz nur:

"Einfach loslassen."

"Sehr witzig, wirklich sehr witzig. Sagt dir der Begriff ,komischer Kauz' etwas?"

"Ich meine es ernst", erwiderte Karli. "Lass los. Das ist deine einzige Chance."

"Bist du irre, Mann?" rief Hans empört. "Willst du, dass ich mir alle Knochen breche?"

"Vertrau mir, dir wird nichts passieren", sagte Karli.

"Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber ich kann nicht fliegen", knurrte Hans und versuchte, den Krampf in seiner rechten Vorderpfote zu unterdrücken.

"Wieso? Du bist doch eben auch wunderbar geflogen", erwiderte Karli.

"Was?!"

"War nur'n Scherz", beschwichtigte der Kauz.

"Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich darüber nicht lachen kann", zischte Hans, der zu seinem Entsetzen feststellte, dass seine Pfoten immer glitschiger wurden. "Ich kann mich nicht mehr lange halten", keuchte er.

"Dann lass besser los, bevor du noch 'nen Krampf kriegst", erwiderte Karli ungerührt.

"Du meinst es ernst, nicht wahr?"

"Natürlich meine ich es ernst, vertrau mir. Lass einfach los."

 

Hans spürte, dass Karli ihn nicht in den Abgrund stürzen lassen würde, und er wusste auch, dass er sich nicht ewig an dem Ast festklammern konnte. Doch die Finsternis um ihn herum und der Gedanke an eine bodenlose Tiefe jagten ihm furchtbare Angst ein.

"Lass los", wiederholte Karli ruhig.

"Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?" jammerte Hans.

"Ja."

"Ganz sicher?"

"Absolut," versicherte Karli.

"Okay", sagte Hans.

 

Innerlich zwang er sich dazu, bis drei zu zählen. Bei drei lasse ich los, sagte er sich selbst…eins, zwei, zweieinhalb, zweidreiviertel, fast drei und… er konnte es nicht! Es ging einfach nicht.

 

"Hans?" fragte Karli der Kauz nach einer Weile.

„Ja?"

"Du hälst dich noch immer fest."

"Ach", sagte Hans und lächelte gequält. "Nun ja, ich hab mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Im Grunde genommen ist meine Position hier gar nicht so schlecht. Der Ast ist eigentlich recht bequem, liegt gut in der Pfote und irgendwie ist es ja auch eine interessante Erfahrung …"

"Hans", unterbrach ihn Karli, "warum vertraust du mir nicht?"

"Ich vertrau dir ja."

"Ach?"

"Ja wirklich, ich vertrau dir, natürlich vertrau ich dir, gar keine Frage … ich bin mir nur nicht so sicher, ob du recht hast."

"Ah ja", sagte Karli und schwieg eine Weile.

"Karli?" fragte Hans, während er vor Schwäche am ganzen Leib zitterte. "Gibt es nicht vielleicht doch noch eine andere Möglichkeit?"

"Ich fürchte nein", erwiderte der Kauz.

"Gut, also denn…"

 

Hans schloss ganz fest die Augen und dann, ganz langsam, löste er seine verschwitzten und verkrampften Pfoten. Der Ast schnellte nach oben und Hans plumpste mit einem erstaunten: "Ups!" auf den Boden, noch bevor er einen Angstschrei ausstoßen konnte.

In diesem Augenblick begann der Morgen zu grauen. Die dichte Wolkendecke riss auf und schwaches Licht erhellte die Szenerie. ungläubig und noch immer am ganzen Leib zitternd bemerkte Hans, dass er die ganze Zeit nur wenige Zentimeter über dem sicheren Boden geschwebt hatte. Karli der Kauz landete neben dem noch immer keuchenden Hamster und zwinkerte ihm fröhlich zu. Nachdem er einigermaßen zu Atem gekommen war, stemmte Hans die Vorderpfoten in die Hüften und brummte:

 

"Findest du nicht, dass du mir da eine wichtige Information vorenthalten hast?"

"Findest du nicht, dass du dir eine ganze Menge Ärger erspart hättest, wenn du mir vertraut hättest?"

 

Die Antwort, die der Hamster in seinen Schnurrbart brummte, war zu leise, um sie verstehen zu können. Aber so viel sei gesagt: in dieser Nacht hatte Hans etwas gelernt, das er sein ganzes Leben lang nie wieder vergessen sollte.

 

 

von Thomas Franke nach

"In der Welt habt ihr Angst, aber lasst euch nicht entmutigen: Ich habe die Welt besiegt."

Johannes 16, 33

 

"Lehrt sie, so zu leben, wie ich es euch aufgetragen habe. Ihr dürft sicher sein: Ich bin immer bei euch, bis das Ende dieser Welt gekommen ist!"

Matthäus 28, 20

 

© Foto Hamster: magicpen / pixelio.de; © Foto Kauz: Mario / pixelio.de

 


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Dieser Beitrag wurde am 28. April 2012 veröffentlicht.

4 Gedanken zu „Hamster Hans und Kauz Karli

  1. christine

    über was – oder wie nimmst du denn den text auf….experimentiere grad mit meiner tocher an aufnahmen herum…und bin für tipps dankbar :)

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    1. Mandy Artikelautor

      Hallo Christine.

      Das mache ich mit meinem Diktiergerät und einem angeschlossenen Mikrofon. Durch das Mikro wird die Quali noch etwas besser – Hintergrundgeräusche werden besser gefiltert usw.

      Audacity nutze ich als Programm zum schneiden und bearbeiten. Wobei ich hier auf Gekreuz(siegt) da nicht so sehr in Detail gehe, denn hier sind die MP3 ja eher "zweitrangig" – ist halt ziemlich zeitaufwendig.

      Auf meinem Blog http://www.rumbibeln.de wird's dann aber so gut wie möglich bearbeitet – bis alles paßt, vorallem möglichst "rauschfrei" – damit's beim hören auf'm mp3 Player nicht nervt.

      Einbinden auf WordPress mit dem Plugin "podPress" – was auch gut mit iTunes zu koppeln geht – so das, dass ganze als Podcast zuhören ist.

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  2. Ille

    Erinnert mich an "Man kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand" oder so… schöne Geschichte, wobei ich auch finde, der hätte ihm das schon sagen können, dass es ungefährlich ist :)

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