Heute mal ein andere Blick aufs Bild …
Als Butler erlebt man vermutlich so manche exzentrischen Wünsche, doch dieser hier toppt einiges! Der Herr von der Yacht – offenbar der Meinung, dass ihm die Welt zu Füßen liegt – ruft nach seinem treuen Butler: „Gießen Sie mir doch etwas heißes Wasser nach! Das Meer ist mir zu kalt!“ Der Butler lässt sich nicht beirren. Mit der Gelassenheit eines Mannes, der vermutlich schon viele solcher skurrilen Momente erlebt hat, erfüllt er auch diesen Wunsch, so unsinnig er auch scheinen mag.
Diese Geschichte erinnert mich an eine persönliche Erfahrung, die ich kürzlich gemacht habe. Aufgrund von Eigenbedarf mussten wir leider aus unserer Wohnung ausziehen. Bei der Wohnungsübergabe bestanden unser Vermieter darauf, dass wir im Badezimmer sämliche Kalkflecken gründlich wegzuputzen und Staub in der "besenreinen" Wohnung wischen – obwohl bereits erste Baumaterialien für den anstehenden größeren Umbau bereitlagen und das Badezimmer im Nachhinein herausgerissen wurde – immerhin ohne Kalkflecken.
Die Forderung erschien uns so unsinnig und übertrieben. Warum diese Mühe, wenn alles sowieso abgerissen und umgebaut wird? Baustaub setzt sich in jeder Ritze fest, aber für den Vermieter war es offenbar wichtiger, dass vor dem Umbau noch einmal Staub gewischt wird. Das sind eben die Regeln – auch wenn es fast an Schikane grenzte.
Vielleicht geht es in solchen Momenten nicht darum, ob eine Aufgabe sinnvoll erscheint oder ob wir den Zweck hinter der Bitte verstehen. Es geht darum, mit Hingabe, Respekt und Demut zu handeln, selbst wenn wir uns über die Sinnhaftigkeit wundern. Wie der Butler, der sich nicht über die Absurdität des heißen Wassers beschwert, sondern seinen Dienst verrichtet. Er spiegelt eine Haltung wider, die selten geworden ist: Er widersetzt sich nicht, er wehrt sich nicht. Er tut, was von ihm verlangt wird, weil er weiß, dass wahre Größe nicht in der Position liegt, sondern in der Bereitschaft, zu dienen.
Jesus lehrt uns etwas Ähnliches in der Bergpredigt, als er sagt: „Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin.“ (Matthäus 5,39). Diese Aussage fordert uns heraus, über unser natürliches Bedürfnis nach Vergeltung oder Widerstand hinauszuwachsen. Es bedeutet nicht, dass wir uns ungerecht behandeln lassen sollen, sondern dass wir die Kraft haben sollen, auf Unrecht oder überzogene Forderungen mit Liebe und Geduld zu reagieren – so wie der Butler, der ohne Protest heißes Wasser ins kalte Meer gießt, oder wie ich, die den Kalk entfernt und den Staub gewischt hat, obwohl es sinnlos erschien.
Das Dienen und die Bereitschaft, die zweite Wange hinzuhalten, haben viel gemeinsam: Sie erfordern Demut, Selbstbeherrschung und vor allem eine innere Stärke, die es uns erlaubt, in der Liebe zu bleiben, selbst wenn die Situation unsinnig oder ungerecht erscheint. Der Butler hätte sich beschweren können. Ich hätte mich über die Unverhältnismäßigkeit der Forderungen unseres Vermieters aufregen können. Doch ich glaube manchmal geht es darum, den Weg des Dienens zu wählen – genau das ist es, was Jesus uns lehrt.
Wir leben in einer Welt, in der es oft darum geht, wer das letzte Wort hat, wer die Macht hat, wer im Recht ist. Doch Jesus zeigt uns einen anderen Weg: Den Weg des Dienens und der Bereitschaft, auch dann Liebe und Geduld zu zeigen, wenn es uns schwerfällt. Den Weg, nicht auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein, sondern die Bedürfnisse anderer über unsere eigenen Ansprüche zu stellen. Vielleicht ist die Herausforderung des Dienens in unserem Leben, die „zweite Wange hinzuhalten“, wenn wir mit Forderungen oder Erwartungen konfrontiert werden, die uns unsinnig oder unfair erscheinen. Wie der Butler, der auch den absurdesten Wunsch mit Anstand erfüllt, können wir lernen, unseren Stolz loszulassen und stattdessen in Liebe zu handeln. Denn am Ende zeigt sich wahre Größe nicht darin, wie viel Macht wir haben, sondern darin, wie bereit wir sind, anderen mit Geduld, Liebe und Hingabe zu dienen – selbst wenn es bedeutet, heißes Wasser ins Meer zu gießen oder Kalkflecken zu entfernen, die ohnehin bald irrelevant sind.
Doch in einem Punkt haben und mussten wir uns wehren: Nach dem Umbau unsere alte Wohnung für das Töchterlein des Hauses noch einmal weiß zu streichen – eine dritte Wange zum Hinhalten gibt es nicht. Gott sei Dank! Ein Dankeschön für all die Mühe gab es bis heute leider nicht.
„Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das, was wir dafür bekommen, sondern das, was wir dadurch werden.“ – John Ruskin
Mandy