Adventsgeschichte von Klaus Oelmann
Es war ein Mensch, der lebte an einer schönen Küste. Er liebte das Wasser und war der beste Schwimmer weit und breit. Mehr noch, als das Schwimmen, liebte er es zu tauchen. Die vom Sonnen- oder Mondlicht durchfluteten Welten unter der Wasseroberfläche brachten sein Herz zum Jubeln.
Die Sorgen seiner Mutter und die Mahnungen seines Vaters, dem erfolgreichsten Fischer der Gemeinschaft, schlug er in den Wind. Er studierte alles, was es über diese Welt zu studieren gab, hörte, dass der Mensch aus dem Wasser stamme, dass Babies in ihrem Werden im Mutterleib kiemenartige Strukturen am sich formenden Kopf entwickelten, war fasziniert von Unterwasser-Geburten und dem angstfreien Tauchen von Babies …
Er war ein Mensch, der irgendwie an Gott als Schöpfer aller Wunder glaubte und wenn immer ihn die Freude an der Schöpfung ergriff, dann sagte er Gott Danke!
Die Mahnungen der Fischer, die von gefährlichen Strömungen, der Gewalt der Wellen und der Trauer über ertrunkene Gefährten erzählten, nannte er in seinem Herzen griesgrämig oder ängstlich … er hielt es gar für einen Ausdruck von "Unglauben" – aber das behielt er für sich. Sollten sie doch reden und denken, was sie wollten. Er aber würde seinem Herzen folgen, denn er glaubte an sich und es hieß doch in den alten Schriften:"Dem, der da glaubt, sind alle Dinge möglich" … man musste also nur fest genug glauben.
Er hatte sich einen der sonnigsten Tage des Jahres ausgesucht. Die Sonne hatte den Zenit schon überschritten, wie auch die Jahre seines Lebens. Das Meer lag ruhig da, übersät von diamantenen Reflexionen des Sonnenlichts auf dem von zarter Briese gekräuselten Wasser. Heute würde er seinen Glauben leben! Heute würde er eine neue Tür aufstoßen. Denn er war, da war er sich sicher, mehr als ein Fisch – er war die Evolution der die einstmalige Herrschaft über die Meere für die Menschen wiedergewinnen würde. Das Geheimnis der wissenschaftlich nachgewiesen ungenutzten Ressourcen des menschlichen Gehirns war einzig im Glauben zu erschließen. So stürzte er sich voll jubelnder Freude in die herrlich kühlen Fluten, schwamm bis zu seiner Lieblingsstelle – da, wo die Felsabbrüche der Küste zu einem Eldorado von bunten Fischschwärmen und herrlicher Unterwasserpflanzen geworden waren und die Reflexionen des Sonnenlichts auf dem die dunklen Felsen umspielenden Sandes die Welt in ein überirdisch schönes Lichtspektakel verwandelten. Dann tauchte er ab. Das Jubeln seines Herzens durchdrang ihn sofort und als der Sauerstoff in seinen Lungen zu schmerzen drohte, da entließ er ihn blasig und brodelnd aus seinen Lungen und umarmte das Meer mit seinem nächsten Atemzug, dass es ihn auch von Innen erfülle …
Der Schock kam sofort, die Lungen kollabierten, sein Körper krampfte und einem Blitz gleich durchdrang ihn Erkenntnis. In seiner Barmherzigkeit senkte Gott Ohnmacht über seinen Geist, während sein Körper noch konvulsiv kämpfte, die Oberfläche zu erreichen suchte – ohne Verstand, ohne Orientierung …
Als der Mensch nun vor das Angesicht Gottes kam, da waren seine ersten Worte:"Wie konntest Du mir das antun? Ich habe doch geglaubt und ich habe Dir doch gedankt!" Und Gott sah ihn mit liebenden Augen an und sprach:"Bin ich nicht der Gott,der alles schuf, was im Himmel, auf Erden und in den Meeren ist? Bin ich es nicht gewesen, der den Dingen seine Ordnung gab? Und bin ich es nicht gewesen, der Dir und den Menschen Macht gab, über alle geschaffenen Wesen zu herrschen und die Erde zu pflegen und zu bebauen? Aber Du hast es vorgezogen, Deiner eigenen Ordnung mehr zu glauben als der Meinen. Du hast weder gepflegt noch bebaut sondern nur benutzt – zu Deinem eigenen Vergnügen. Wie Du schon Deine Eltern nicht geachtet und durch Gehorsam geehrt hast, so hast Du auch mich nicht geehrt. Ist es nicht so? Nicht ich tat Dir etwas an! Du hast Dir selbst das angetan! – Hochmütig und in Deinen Spaß verliebt! Die einzige Gnade, die Du mir Dir zu geben ließest, war, Deinen Todeskampf zu verkürzen und Dich in meine Gegenwart zu holen. Nun, was willst Du?" Und Gott zeigte mit seiner Ausgestreckten Hand zu seiner Rechten.
Und der Mensch schaute nach links und sah viele Menschen, die Gott zujubelten und vor Glück jauchzten. Und Gott wies zu seiner Linken. Und der Mensch schaute nach rechts und sah Heerscharen von Menschen mit erhobener Faust gegen Gott fluchen und seine Unmenschlichkeit und Lieblosigkeit beschimpfend … und er wandte sich ihnen zu, denn sein Herz war voll Groll gegen diesen Gott, der seine so glutvoll gepflegte, geglaubte und geliebte Vision derart ignoriert hatte. Dämlicher Besserwisser! war sein letzter Gedanke, ehe er in das Meer erhobener Fäuste und donnernd brausender Flüche eintauchte.
© Foto oben: Rainer Sturm / pixelio.de
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Danke Klaus – ein tolles Beispiel